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AutorenbildChristian Dollase

Bewerbungs-Odyssee Schweden - Der lange Weg zum (hoffentlich) richtigen Job

Aktualisiert: 6. Dez. 2023

"Man habe keinen Mut für das unbekannte Glück, und wähle lieber das bekannte Unglück" - im Wald von Huttwil gefunden, s.u.


Unser Weg in Richtung Schweden war keineswegs so geradlinig, wie man sich das vorstellen könnte. Er war gespickt mit Richtungswechseln, langen Diskussionen, teilweisem Zurückrudern. Am Ende (Stand Ende November 2023) glauben wir, nun einen guten Startpunkt gefunden zu haben. Aber der Reihe nach.


Die erste Bewerbung Richtung Schweden ging im Oktober 2021 (!) heraus. Das war kurz nach unserer ersten, dreiwöchigen Reise in den Norden. Wir hatten gesehen, was nördlich von Flensburg für ein freies Leben möglich war, und wollten es gleich versuchen. Nach einigen Absagen kam mir die Idee, dass es eventuell mit meinem Schweizer Arbeitgeber einen Weg gäbe. Es gab ja eine ausgeprägte Homeoffice-Regelung zu der Zeit, und wenn das über einen längeren Zeitraum klappen würde, hätte ich gute Argumente. Eine solche Gelegenheit liess nicht lange auf sich warten.


Der Dezember 2021 kostete uns sehr viel Energie. Anke wurde aufgrund der damaligen Massnahmen aus ihrem Job am Luzerner Kantonsspital gedrängt. Aufgrund dieses Umstandes, und der 100% Homeoffice-Regelung, konnten wir eine längere zweite Reise nach Schweden planen.


Mitte Januar 2022 reisten wir also wieder in Schweden ein. Es gab noch keinen Rückkehrtermin, wir wollten mindestens 2 Monate bleiben. Die Fernarbeit funktionierte super. Leider konnte ich meinen Arbeitgeber nicht überzeugen, einer vollständige Remote-Lösung zuzustimmen. Ich muss am Ende zugeben, dass das auch ein ziemlicher Spagat gewesen wäre - viele Kunden sind in der Schweiz, einige Vor-Ort-Termine sind notwendig, steuerlich muss es auch geregelt werden. Somit musste ein anderer Weg gefunden werden.


Ich bewarb mich nun wieder bei Firmen in Schweden. Dazu übersetzte ich mein Linked-In Profil in Englisch, sowie sämtliche Arbeitszeugnisse. Die Zeugnisse spielen aber in Schweden nur eine untergeordnete Rolle - das wurde mir erst später bewusst. Bezüglich Sprache kann man sagen: In vielen Unternehmen, insbesondere den grösseren und international aufgestellten, kann man ohne weiteres mit Englisch einen Job finden. Viele Jobinserate sind bereits in Englisch. Man sollte aber alles durchlesen, denn manchmal wird neben Englisch auch Schwedisch verlangt, und wenn man es nicht kann macht eine Bewerbung dort keinen Sinn.


Endlich gab es hier auch Reaktionen und Vorstellungsgespräche. Interessanterweise wurden die Fähigkeiten aus dem Lebenslauf oft ohne weiteres geglaubt. Nach einigen Testfragen ging es ins Persönliche - was interessiert einen, was sind Wünsche, gegenseitiges Vorstellen, übers Wetter und den Urlaub plaudern. Den Schweden geht es vorrangig darum, warum man kommt, und wie der Kandidat in das Team passt. Für mich war das überraschend, aber es hat mir sehr gut gefallen. Es gab auch die „Grandfather“ Gespräche, d.h. man spricht mit dem Chef des potenziellen Chefs. Wichtig ist, dass es kein Frage/Antwort Abtausch ist, sondern dass ein ungezwungener, offener Dialog entsteht, mit gegenseitiger Wertschätzung.


Insgesamt muss man im schwedischen Bewerbungsprozess Geduld mitbringen. „Zeit ist Qualität“ habe ich einmal gelesen, und das habe ich selbst auch so empfunden. Ich habe erlebt, dass es 5-6 Gespräche gibt, mit verschiedensten Teammitgliedern und Positionen, ehe es in Richtung Vertragsangebot geht. Bei einer Firma hat sich das über 4 Monate hingezogen, unter 1 Monat habe ich nicht erlebt.



Warum hat es dann bis in den Herbst 2023 gedauert? Die ersten beiden Angebote hatte ich im Sommer 2022. Eines davon war top, mit Relocation Service (bezahlter Umzug, bezahlte temporär-Wohnung). Was waren dann eigentlich unsere Probleme? Nun, zum Einen war der Ukraine-Krieg noch nicht so alt, die Inflation kam ins Rollen, und ich dachte dass wir in der Schweiz evtl. besser aufgehoben wären. Zum Zweiten hatten wir noch Alternativen aufgebracht - Wir hatten überlegt, ggf. in Italien ein Haus zu kaufen, und unsere Jobs in der Schweiz zu behalten. Grundsätzlich suchten wir die Freiheit, unser eigenes Ding zu machen, mit Platz ringsum, ohne Abhängigkeiten von Vermietern, Richtung Teil-Selbstversorgung. Dies wäre mit dem Haus in Italien möglich gewesen. Zum Dritten lag der Arbeitsort in Malmö, für unsere Hausvorstellungen nicht so optimal, das haben wir erst später bemerkt - ringsum ist die Kornkammer von Schweden, grösstenteils landwirtschaftliche Nutzfläche - wir wollten aber Wald und Seen, was weiter nördlich liegt. Viertens war auch die angepeilte Funktion im Job nicht so optimal - Ich hatte den Fehler bereits beim Umzug in die Schweiz gemacht, und wollte das nicht noch einmal wiederholen.


Wir liessen uns sogar von Coaches beraten. Am Ende findet man immer Argumente, einen mutigen Schritt nicht zu machen. Letztlich haben wir dann mit den Coaches erarbeitet, dass einerseits das Angebot als solches nicht den Ausschlag geben darf, sondern es muss auch ringsum passen. Am Ende dieses Prozesses sagten wir die Angebote ab und konzentrierten uns auf unsere Alternativen.


Leider lief das aber nicht so wie wir uns das dachten. Beim Haus in Italien wurden wir uns nicht über den Preis einig, in der Schweiz haben wir uns auch Häuser angesehen, aber es war einfach nie der Platz und Abstand, den wir uns so vorstellten. Dieser Prozess ging einige Monate, und am Ende beschlossen wir, doch unserem Herzen zu folgen. Wir hatten aus der vergangenen Zeit vieles gelernt.


Ich begann wieder mit Bewerbungen, konzentrierte mich auf den richtigen Job in der für uns richtigen Gegend. Im Februar und März 2023 hatte ich dann einige vielversprechende Gespräche. Ich beschloss, nun einen Schritt zu wagen, welcher 2022 noch für mich undenkbar gewesen wäre: „Ins Blaue“ kündigen, ohne unterschriebenes Angebot. Der Grund lag im Wesentlichen in meiner langen Kündigungsfrist. Ich wollte im Herbst 2023 parat sein für den Umzug - somit war eine Kündigung im Frühjahr unabdingbar.

Die Kündigung war für mich ein sehr emotionaler Schritt. Es ging mir an dem Tag sehr schlecht, was sogar einem meiner Kollegen auffiel. Aber warum eigentlich schlecht - wo es doch nun endlich vorwärts ging? Die Ursache war, dass nun all die Fragen aufkamen, was ist wenn das alles nicht klappt? Ich war bis jetzt immer auf „Sicherheit“ bedacht. Laut Heiko Mell, einem Kolumnisten den ich 20 Jahre gelesen habe, soll man sich mit Mitte 50 einen Job suchen, in welchem man bis zur Rente durchhalten kann. Und nun das. Ich hatte zunächst einige schlaflose Nächte, habe mich aber am Ende an den Zustand der „Unsicherheit“ gewöhnt! Ja, das geht. Mit fortschreitender Zeit ging es mir immer besser, und ich bekam ein gutes Gefühl, dass das der richtige Schritt ist, es geht vorwärts, Ausbrechen aus den eingefahrenen Fahrwassern, etwas Neues wagen - was ja eigentlich mein Ding ist. Ich schreibe das offen und ehrlich, damit nicht der Eindruck entstünde, alles wäre nur „geradlinig“ gewesen.

Der Bewerbungsprozess kam in Schwung, ich war dann über den Sommer mit drei Firmen im weiterführenden Bewerbungsprozess und vielen Gesprächen unterwegs. Einmal musste ich nach Göteborg für einen Vor-Ort-Termin, alles andere lief remote über Videokonferenzen.

Schlussendlich hat es dann bei einer Firma geklappt, bei der ich von Anfang an ein sehr gutes Gefühl hatte, insbesondere auf persönlicher Ebene, aber auch vom Produkt und den Rahmenbedingungen. Ende September war der Vertrag unterschrieben, und im Dezember gehts los :)


Das Ganze in Zahlen: 30 Bewerbungen, 5-mal im Prozess weitergekommen, 28 Gespräche, 3 Angebote.

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