"Wenn Du Deine Sicht auf die Dinge veränderst, verändern sich die Dinge, die Du siehst."
-Wayne Dyer-
Der Weg ist bekanntlich das Ziel und so geniessen wir jede Fahrt zu einem neuen Ort. Es gibt immer viele Eindrücke unterwegs. Im Norden waren es vor allem die verschneiten Landschaften und Strassen (ohne Schwarzräumung), das magische Licht der tief stehenden Sonne sowie der entspannte Strassenverkehr. Manchmal begegnete uns nur ein Auto pro Stunde.
Jokkmokk Erinnerungen
Das wird nun anders werden, seufze ich. Ich gehöre zu denjenigen, die eher gern in der Vergangenheit schwelgen und manchmal nicht so schnell loslassen können. Meine Seele hinkt sozusagen hinterher, sie ist noch am anderen Ort, während wir schon auf der Schnellstrasse mit im Schnitt neunzig Stundenkilometern in Richtung Gävle sausen.
Wir schweigen, der Scheibenwischer schabt unentwegt den Schmutz von der Scheibe. So richtige Freude will nicht aufkommen. Chris ist ein bisschen schneller an Ort und Stelle und sagt, so ist es eben nun. Freuen wir uns auf das, was kommt. Der Verkehr wird dichter und der Schnee schmilzt dahin. Wo sind die weiss verzuckerten Tannen hin. Der Schnee am Strassenrand ist nun mehr grau als weiss. Enttäuschung macht sich bei mir breit. Ist das das Schweden im Februar, vor dem uns einige Menschen "gewarnt" haben: viele graue Tage, viel Matsch und Regen. Man würde sozusagen spätestens im März den ultimativen Koller bekommen. Ohne Vitamin D und Alkohol überlebt man das nicht. Dann werden wir doch mal sehen, wie das geht. Der Norden war nun auch nicht ganz so, wie wir ihn uns vorgestellt hatten. Spannend ist immer wieder, wie man sich anhand von wenigen Angaben, sei es aus dem Internet oder vom Hörensagen, eine Wirklichkeit konstruiert. Erst die Realität lehrt einem, wie es wirklich und wahrhaftig ist. Auch auf die Meinungen anderer Menschen kann man nur bedingt setzen. Informationen können auf jeden Fall Hilfestellungen sein. Und wir haben gute Tipps von ein paar Bloggern und Youtubern erhalten. Aber am Ende stecken auch da Wahrnehmungen und Erfahrungen drin. Man muss unbedingt seine eigenen Erfahrungen sammeln. Jeder Mensch ist einzigartig und so auch seine Sicht auf die Dinge. Das ist eine wichtige Erkenntnis meiner Reise. Wir hatten viele wunderschöne, sonnige Tage, von wegen dunkel dort oben. Die Sonne geht später auf und früher unter, darauf muss man sich einstellen. Das ist gewöhnungsbedürftig am Anfang, aber man richtet seinen Lebensrhythmus danach aus. Ich finde, die Schweden haben sich damit gut eingerichtet. Sie helfen sich mit vielen Lichtern und Lampen. Es sieht dort so aus, wie bei uns an Weihnachten. Auch unsere Unterkünfte waren in der Regel heimelig hergerichtet. Es waren immer Kerzen und Windlichter vorhanden. Ich hatte mir vorsorglich Windlichter mitgenommen, aber fast nie gebraucht.
Fahrt nach Gävle
Wir müssen tanken und fahren an eine Tankstelle mit einem grossen Parkplatz. Es ist Sonntag und der Parkplatz ist voll. Ich rutsche noch weiter in meinem Sitz nach unten. Ich will umkehren, schiesst es mir durch den Kopf. Es sind um die null Grad. Die Leute haben zum Teil keine Jacken an, von Mützen und Handschuhen ganz zu schweigen. Uns geht es ähnlich. Nach so vielen wirklich klirrend kalten Tagen empfindet man null Grad als wirklich angenehm und frühlingshaft, zumal die Vögel zwitschern und hier viel mutiger und scheinbar weniger anspruchsvoll sind. Das soll zur schwedischen Mentalität gehören, die Dinge so zu nehmen wie sie sind und dabei entspannt zu bleiben. Ob das tatsächlich stimmt? Dem werde ich mal nachgehen.
Wir haben eine Wohnung in einem Vorort von Gävle gebucht, die sich in einem separaten Haus über der Garage des Vermieters befindet. Da wir ausserhalb der Saison verreisen, konnten wir sie zu einem günstigen Preis bekommen. Es ist eine grosse, und wie ich finde schicke Wohnung, mit weisser Täfelung, eingerichtet im Lagom Stil, dem Wohntrend aus Schweden, der auch in unsere Wohnzimmer Einzug gehalten hat. Weniger ist mehr, ist die Devise.
Lagom (schwedisch ausgesprochen "logum") kann ins Deutsche mit "genau im richtigen Mass", also nicht zu viel und nicht zu wenig, übersetzt werden. Dahinter verbirgt sich die schwedische Lebenseinstellung, die bis in die Zeit der Wikinger zurück geht. Lagom ist das Gegenteil von Hektik, Wegwerfgesellschaft, Stress und Überfluss. Der Wohnstil ist unaufgeregt, harmonisch und auf das Wesentliche reduziert. Wie sich das lagome Leben in anderen Lebensbereichen der Schweden widerspiegelt, darüber werde ich an anderer Stelle etwas mehr schreiben.
Nicht bewusst geplant, aber um so toller ist die Tatsache, dass sich unsere Unterkunft in traumhafter Kulisse im ehemaligen Fischerdorf Bönan befindet. Das ist Schweden, wie man es wohl in Inga Lindström Filmen sieht.
Grosser Tourismus findet hier nicht statt, sondern einheimische Zufriedenheit. Trotz des sich abwendenden Winters mit all seinen Begleiterscheinungen, kann man erahnen, wie es hier im Frühling und Sommer sein muss, einfach traumhaft schön. Ein Ort an dem man die Seele baumeln lassen kann. Wir fühlen uns wohl vom ersten Moment an und geniessen dieses Haus, welches wir die nächsten sieben Tage unser Zuhause nennen dürfen.
Wir können wieder laufen gehen, die Temperaturen lassen es zu. Ein Vorteil, wenn man sich wieder in südlichen Gefilden aufhält.
Ein Highlight ist für uns noch der Besuch der Halbinsel Eskön, ganz in der Nähe von Bönan. Es ist ein sonniger Tag und wir geniessen unser "Zvieri" (Schriftdeutsch: Kaffee und Kuchen) mit selbst gebackenen Zimtschnecken (Rezept folgt) und Tee auf einem Bänkchen.
Gävle selber streifen wir offen gestanden nur im Auto. Uns steht nicht der Sinn nach einem Stadtbummel, also lassen wir es.
Insgesamt ist diese Gegend um Gävle herum sehr zu empfehlen, das Örtchen Bönan ein Volltreffer. Die Woche in Jens`Haus hat uns gut gefallen, so konnten wir auch den schwindenden Schnee und das nasskalte Wetter der ersten paar Tage gut wegstecken.
Unser Fazit bei Reisen während der Wintermonate: die Unterkunft muss stimmen. Man verbringt mehr Zeit drinnen als im Sommer.
Nun geht es auf den Weg nach Stockholm. Wir sind gespannt auf die Stadt und freuen uns riesig.
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