"Die Kunst ist eine Tochter der Freiheit."
-Friedrich Schiller-
Es ist wie Weihnachten und Geschenke auspacken, die nächste Unterkunft zu buchen und dann in Augenschein zu nehmen. Wir schätzen das und sind uns bewusst, dass das nicht selbstverständlich ist. Natürlich schauen wir neben unseren Wunschvorstellungen auf den Preis. Es ist so, dass man für wenig Budget bereits richtig gute Häuschen bekommt.
Wir hatten nun schon so viele unterschiedliche Häuser bzw. Hütten in ganz verschiedenen Ausstattungen und Umgebungen. Wir wissen, was uns gefällt und, was wir grundsätzlich brauchen, damit es uns gut geht. Wobei es mit dem Brauchen so eine Sache ist. Was man wirklich braucht, erleben wir im Moment hautnah. Es ist am Ende sehr wenig. Und doch sind wir immer wieder überrascht, was uns wohlfühlen lässt und was weniger. Es sind nicht immer die Dinge, von denen wir meinen, dass wir sie brauchen oder von denen unser Wohlsein abhängt. Oft sind es Kleinigkeiten oder gar nichts Gegenständliches. Tatsächlichen haben sich unsere Ansprüche in den letzten sieben Wochen verändert. Und das ist gut so.
Unser jetziges Häuschen bei Marko in Kummelnäs ist sehr heimelig, ein kleiner Wohnraum mit offner Küche und ein sehr kleines Schlafzimmer. Es steht praktisch in seinem Garten. Das klingt gewöhnungsbedürftig, ist aber kein Problem. Die Schweden sind sehr zurückhaltend, man sieht sie praktisch nicht. Aber für ein Schwätzchen ist Marko offen. Er erzählt uns, dass er lange in Amerika gearbeitet hat. Er sagt, dass man in Schweden Wert legt auf eine gute Work-Life-Balance und das soziale Leben. In Amerika gehe es viel mehr um Wirtschaftsinteressen. Wir sprechen ein wenig über die Unterschiede zwischen Schweiz und Schweden. Auf unsere Wahrnehmungen diesbezüglich werde ich mal an anderer Stelle eingehen.
Da Chris unter der Woche arbeitet, müssen wir uns organisieren, denn ein drittes Zimmer oder eine Arbeitsplatzecke gibt es nicht. Ich hatte zum Glück an unser Campingtischchen gedacht. Wir hatten es eingepackt, falls wir mal in eine solche Situation kommen würden. Dieses wird nun jeden Morgen zwischen den verbleibenden Platz zwischen Bett und Fenster gequetscht. Es passt genau noch der Stuhl aus der Küche davor, so muss es nun für eine Woche gehen. Man muss anpassungsfähig sein, sonst geht das nicht. Und man muss es auf engen Raum zusammen nicht nur aushalten, sondern man sollte es gut haben. Zwei Wochen im Urlaub ist was anderes.
Stockholm. Bereits auf der Fahrt durch Stockholm zum Quartier stehen wir im Stau wegen eines Unfalls. Es ist Sonntag früher Nachmittag, es geht zäh im Schritttempo voran. Das ist der erste Stau seit unserer Abfahrt von Zuhause, stellen wir fest. Wir manövrieren uns durch eine komplizierte Baustelle. Trotz allem entschliessen wir uns nach dem Ausladen nochmal rein zu fahren, um uns einen ersten Eindruck von der Stadt zu verschaffen. Es sind ca. 25 min Fahrt. Diese Baustelle wird uns noch öfter das Leben schwer machen, aber vorerst schaffen wir es gut hinein und peilen das erste beste Parkhaus an. Das Sheraton Hotel Parkhaus. Nicht zu empfehlen, denn nach einen zweistündigem Rundgang bezahlen wir 24 Euro. Kurz grosse Augen gemacht, befinden wir uns bereits wieder auf dem Heimweg. Ich fahre und unser Navi hat keine Ahnung, wie da rausfinden. Könnte das Navi sprechen, hätte es wohl gesagt: Bitte entschuldigen Sie, ich habe keine Ahnung, wo es langgeht. Ich kündige. Ich drehe mich förmlich im Kreis in der Innenstadt und fahre dann noch in eine Einbahnstrasse nur für Busse. Die Leuten gucken irritiert. Eine solche Baustelle haben wir zuletzt in Kambodscha in Shihanoukville erlebt. Aber da tun wir Stockholm vielleicht doch ein wenig unrecht. Wir finden wie auf wundersame Weise irgendwie heraus.
Das Wetter in dieser Woche ist eher bescheiden. Es schneit, es taut, es friert, es schneit, es taut, es friert. Ich fliege wieder mal hin, weil ich etwas leichtsinnig den Weg vom Haus zum Auto ohne Spikes nehme, die Spikes in der Hand. Tagelange Schmerzen in der Hand sind das Ergebnis. Ich gehe trotzdem joggen mit Spikes. An einem Tag ist das Wetter recht gut und ein schöner Waldspaziergang im Schnee liegt drin. Die Schären sind faszinierend. Man kommt immer wieder am Wasser heraus und man verliert dabei leicht die Orientierung.
Dann ist Freitag, die nächsten beiden Tage sind der Traum. Erstens wissen wir jetzt, wie es geht nach Stockholm hinein und wieder hinaus zu finden, wir wissen, wo wir besser nicht parkieren sollten und das Wetter entschädigt uns für die trüben Schneematschtage und meinen Sturz (es ist nicht der Erste - ich arbeite daran). Wir empfehlen, im Internet auf parkme.com gezielt nach Parkhäusern und Parkplätzen zu suchen. Es gibt sie, die etwas günstigeren, und am Besten sind Aussenparkplätze. Wir finden einen für neun Euro den ganzen Tag, am Sonntag kostet er sogar nur sechs Euro. Kein Shopping, nehmen wir uns vor. Wir haben genug Klamotten und Schuhe, ausserdem soll Stockholm eine Museumsstadt sein.
Wir entscheiden uns als Erstes für das Vasa-Museum. Das Schiff Vasa sank 1628 vor Stockholm noch auf seiner Jungfernfahrt. Nach 333 Jahren auf dem Meeresboden wurde das imposante Kriegsschiff des 17. Jahrhunderts geborgen. Dieser einzigartige Kulturschatz umfasst 98 Prozent der Originalteile, darunter hunderte kunstvoll geschnitzte Holzskulpturen. Das Museum ist wirklich spannend, da es neben dem Schiff mehrere Ausstellungen zur kurzen, aber intensiven Geschichte der Vasa zu besichtigen gibt. Natürlich haben wir uns besonders über die grosse Picknick-Area gefreut. Man wird nicht gezwungen, im Restaurant zu konsumieren und man muss seine Brote oder Sandwiches nicht im Stehen oder gar draussen bei 4 Grad verspeisen. Wasser ist auch vorhanden. Da zeigt sich wiederum die soziale Ader der Schweden.
Die Stadt zeigt sich von ihrer besten Seite in der Nachmittagssonne. Wir geniessen den Besuch der kleinen lebhaften Insel Gamla Stan, auf der sich die Altstadt von Stockholm befindet. Die schmalen gepflasterten Strassen und die alten Häuser erinnern und an das Niederdörfli in Zürich. Wir finden ein kleines vegetarisches Café. Leider gibt es kein einziges veganes Gebäck. Bis anhin war das in Schweden nie ein Problem gewesen, selbst in Mora und Luleá wurden wir fündig. Wir waren sicher, dass Stockholm, die Hochburg der "Friday for future" Bewegung nur so strotzt vor veganen Angeboten, so wie in Berlin. Macht nichts, wir haben unsere Haferkekse dabei und freuen uns trotzdem, im Warmen zu sitzen und unseren Kaffee zu geniessen.
Tag 2: Museum der Moderne (Moderna Museet) und Nationalmuseum. Ersteres ist unterhaltsam, bisweilen interessant, aber insgesamt eher enttäuschend, wenn man sich bereits durch die Museen der modernen Künste anderer Metropolen durchgearbeitet hat. Meine Erwartungen waren aufgrund der Google-Bewertungen nicht hoch gewesen. Dafür gibt es vor dem Gebäude ein paar wunderbare Bänke an der geschützten Hauswand in der Sonne für unsere Mittagspause.
Die staatlichen Museen sind in Schweden kostenlos, wie auch in Grossbritannien, Irland, Australien, was wir sehr schätzen. Denn so wird Kunst allen Menschen zugänglich gemacht.
Nach einem Nachmittagsspaziergang entscheiden wir uns, noch das Nationalmuseum zu besuchen. Ein imposantes Gebäude erwartet uns. Innen ist es eine Augenweide, majestätisch schön. Interessante Gemälde gibt es zu sehen, die die skandinavische Kultur und Geschichte widerspiegeln. Wir sind entspannt und geniessen den Rundgang, auch in Anbetracht der Tatsache, dass ein Besuch ohne Maske in Deutschland immer noch nicht möglich ist. Das Virus muss in Deutschland wohl gefährlicher sein. Anyway, es fühlt sich gut und frei an.
Gamla Stan
Auch an diesem Tag gestaltet sich die Suche nach einem Café nicht ganz einfach, aber wir werden fündig auf Gamla Stan. Eigentlich hatten wir den Wunsch verspürt, mal wieder fein essen zu gehen, aber wir entscheiden uns dagegen. Wir finden nichts Passendes. Essen gehen bedeutet für uns etwas besonderes, nicht einfach Hunger stillen oder nicht selber kochen müssen. Wir kochen gern und ich behaupte auch gut. Also sollten die Gerichte im Restaurant besser oder zumindest aufwendiger und besonders sein. Das ist, wie wir merken, hier in Stockholm auf die Schnelle nicht zu finden. Das ist definitiv in Berlin viel einfacher. Also lassen wir es.
Stockholm ist eine beeindruckende Stadt, "mondän" ist ein passendes Wort, was auf die Kulisse, das Flair und den Kleidungsstil der Stockholmer und Stockholmerinnen gleichermassen zutrifft. Auch im Winter ist Stockholm eine Reise wert.
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